Heinrich von Travejach war von 1290–1295 Bischof von Brixen. In der Literatur wird angegeben er stamme von Travejach bei Villach. Nun konnte ich Travejach aber nicht zuordnen und wollte mir das einmal genauer anschauen. Dabei ergab sich Trofaiach als bessere Zuordnung. Heinrich von Trofaiach wäre damit kein Kärntner, sondern Steirer gewesen.
Im biografischen Lexikon Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1198 bis 1448 von 2001 gibt es auf Seite 118 einen Eintrag zu Bischof Heinrich. Dort heißt es gleich im ersten Satz „[a]us bäuerlicher oder bürgerlicher Familie in Travejach bei Villach in Kärnten“. Als älteste Literatur wird dort Franz Anton Sinnachers Beyträge zur Geschichte der bischöflichen Kirche von Säben und Brixen in Tyrol von 1827 angeführt. Dieser bezieht sich im 5. Band auf Seite 5 auf den Katalog der Bischöfe von Brixen, woraus er zitiert „… Herr Heinrich, ein edler Freyer vom Schlosse Villach …“ und weiter schreibt „Travejach oder Trevern bey Villach in Kärnthen mag Heinrichs Geburtsort gewesen seyn.“ Hierbei scheint er sich auf Treffen zu beziehen.
Santifaller, in seiner Veröffentlichung Das Brixner Domkapitel in seiner persönlichen Zusammensetzung im Mittelalter von 1924, bezieht sich bei seiner Angabe zu Villach auf Sinnacher und Haid. Haid selbst, in seiner Publikation Die Besetzungen des Bistums Brixen in der Zeit von 1250–1376 von 1912, schreibt über Heinrich auf S. 14: „der aus Travejach bei Villach stammte“ und gibt dazu eine Anmerkung über den Katalog der Bischöfe von Brixen.
Der Katalog der Bischöfe von Brixen oder Catalogus episcoporum Brixinensium wird von Oswald Redlich in seinem Beitrag zur Geschichte der Brixener Bischöfe von 1884 genauer besprochen. Das Original ist offenbar verschollen und uns stehen nur Abschriften zur Verfügung. Er scheint um das 15. Jahrhundert entstanden zu sein und baute auf älteren Quellen auf. Ein Druck von 1581 sagt über Bischof Heinrich „HENRICVS Nobilis Liber de Villaco Castro, Prepositus Ciuitaensis, Aquilegiensis Diœcesis, q(ui) in multis ditauit Ecclesia(m) Brixine(n)sem, Postea à Fœderico Imperatore, vt sunt res mortaliu(m) fortune arbitrio exposite, bonis temporalibus priuatur. Præsuit Ecclesie Annis, xvii. cum dimido.“
Nun scheint der Eintrag nicht unbedingt korrekt zu sein. Sinnacher schreibt, er zweifelt an der adeligen Abstammung von Heinrich, da dieser in den meisten Urkunden vor seiner Ernennung zum Bischof Meister Heinrich von Travejach genannt wird. So auch in einer 1280 in Seckau ausgestellten Urkunde, wo wegen „Missachtung des Gerichts“ Exkommunikationen ausgesprochen werden und in der Heinrich („mag(iste)r Hennric(us) de Treveiach“) als Domherr von Brixen aufscheint. Die Amtszeit von Heinrich als Bischof dauerte 5 Jahre, im Katalog wird aber von 17,5 Jahren gesprochen. Möglicherweise ist also die Angabe zu Villach auch nicht korrekt?
Interessanterweise schreibt Haid in seiner oben erwähnten Anmerkung auch darüber, dass die adelige Abstammung von Heinrich fraglich ist und dass diese auf den „ganz unzuverläßlichen alten Bischofskatalog“ zurückgehe. Er erwähnt auch, dass bereits Johann Roßbichler bemerkte, der Katalog mache „ganz irrige Angaben“ über Heinrich, was Roßbichler mit dem Wort Unsinn kommentierte. Wenn nun der Bischofskatalog so unzuverlässig ist, warum sollte er dann ausgerechnet zu Villach zuverlässig sein? Es ist unklar, ob Haid noch eine andere Quelle zur Herkunft von Villach zur Verfügung hatte. Er erklärt auch nicht, wo Travejach genau liegen sollte. Entweder war es für ihn so eindeutig, dass es keiner weiteren Erklärung bedurfte, oder er hat die Angabe zu Villach nicht in Frage gestellt, obschon er den Bischofskatalog zu Heinrich als unzuverlässig eingestuft hatte.
Beschäftigen wir uns einmal genauer mit Travejach. Sollte Konsens bestehen, dass damit Treffen bei Villach gemeint ist, dann könnte man Heinrich doch einfach von Treffen nennen. Das wird aber offenbar nicht gemacht. Vielleicht zu Recht, denn eine Bezeichnung Travejach für Treffen ist mir bisher nicht vorgekommen. Es ist auch leicht zu widerlegen, denn in der oben erwähnten Urkunde, in der Heinrich genannt wird, ist unter den Exkommunizierten auch ein Heinrich von Treffen („Heinricu(s) de Treven“) und es werden einige Personen zur Verkündung der Exkommunikation benachrichtigt, darunter auch der Pfarrer von Treffen („d(omi)no O. plebano in Treuen“). Daher kann Travejach unmöglich für Treffen stehen.
Betrachten wir andere Orte in der Umgebung von Villach, die auf -ach enden und einen F-Laut besitzen, dann gibt es hier Fellach, Vassach und Föderlach. Vassach und Föderlach scheiden eher aus. Fellach würde hier schon eher passen, nur die Vorsilbe Tra- fehlt. Gut, die Drau (Trâ) ist nicht weit weg, aber es scheint doch sehr weit hergeholt und wenn man Fellach für möglich hält dann kann man das selbe auch von Villach sagen.
Ein passenderer Ortsname ist allerdings Trofaiach nordwestlich von Leoben. In Zahns Ortsnamenbuch für die Steiermark unter „Trofeiach“ werden unter anderem „Traueyach“, „Trafeyach“ usw. angegeben. Damit wäre Heinrich also kein Kärntner, sondern ein Steirer. Ich bin nicht der Erste, der diese Zuordnung macht. Im Regest erwähnter Urkunde von 1280 aus Martins Regesten der Erzbischöfe und des Domkapitels von Salzburg wird er als „Heinrich v. Trafoiach“ genannt und in einer weiteren Urkunde von 1269 („Henri(cus) d(e) Treveiah“) im Regest auch als von Trofaiach bezeichnet.
Woher kommt nun die Zuordnung zu Villach im Bischofskatalog von Brixen? Ich weiß es nicht. Berücksichtigt man den Bischofskatalog aber nicht, dann gibt es für die derzeit mir bekannten Quellen keinen Grund Heinrich von Trofaiach zu Villach oder in seine Nähe zuzuordnen.
Literatur
Erwin Gatz und Clemens Brodkorb (Hrsg.): Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1198 bis 1448. Ein biographisches Lexikon, Berlin (2001), S. 118.
Franz Anton Sinnacher: Beyträge zur Geschichte der bischöflichen Kirche von Säben und Brixen in Tyrol, Bd. 5: Die Kirche Brixen am Ende des 13ten und im Laufe des 14ten Jahrhunderts, Brixen (1827), Online: urn:nbn:de:bvb:12-bsb10027655-8, S. 5-20.
Leo Santifaller: Das Brixner Domkapitel in seiner persönlichen Zusammensetzung im Mittelalter, in: Schlern-Schriften: Veröffentlichungen zur Landeskunde von Südtirol, Bd. 7 (1924), Online: digital.tessmann.it (besucht am 04.09.2024), S. 488f.
Kassian Haid: Die Besetzungen des Bistums Brixen in der Zeit von 1250–1376, in: Publikationen des österreichischen Historischen Instituts in Rom, Bd. 2 (1912), S. 13–19.
Oswald Redlich: Zur Geschichte der Bischöfe von Brixen vom 10. bis in das 12. Jahrhundert (907–1125), in: Veröffentlichungen des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum, 28/3 (1884), Online: zobodat.at (besucht am 27.08.2024), S. 1–52.
Catalogvs Episcoporvm Brixinensivm: vsq[ue] ad haec nostra tempora omnium, prout ex vetustissimis scriptis colligere licuit: quae etsi rudi admodum stilo constent, nihil tamen immutandum duximus …, Brixinae, 1581, Online: urn:nbn:de:bvb:12-bsb00009222-9
Joseph von Zahn: Ortsnamenbuch der Steiermark im Mittelalter, 1893, Online: urn:nbn:de:bvb:12-bsb11472068-1, S. 150